Die Berliner Grünen-Fraktion wirft Ex-Kultursenator Joe Chialo (CDU) und seiner Nachfolgerin Sarah Wedl-Wilson (parteilos) sowie der CDU-Fraktion eine unrechtmäßige Vergabe von Fördergeld vor. Die Senatoren hätten mehrere Millionen Euro für Projekte gegen Antisemitismus nach unklaren Kriterien und auf Druck und ausdrücklichen Wunsch aus der CDU-Fraktion vergeben - und damit gegen Haushaltsregeln verstoßen. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner und die Kulturverwaltung wiesen die Vorwürfe zurück.
Konkret geht es um 3,4 Millionen Fördergeld in einem Topf der Kulturverwaltung namens «Projekte von besonderer politischer Bedeutung». Stettner sowie der CDU-Haushaltspolitiker Christian Goiny, so die Darstellung der Grünen, hätten Druck auf den im Mai zurückgetretenen Chialo und auf die neue Senatorin Wedl-Wilson ausgeübt mit dem Ziel, dass bestimmte Projekte gefördert werden.
Sie hätten dazu eine Liste mit 18 Projekten erstellt. Bis September 2025 sollen auf Anordnung der Senatoren rund 2,6 Millionen Euro aus dem fraglichen Topf an 14 dieser Projekte geflossen sein, schreibt der «Tagesspiegel», der zuerst über das Thema berichtete.
«Selbstbedienung» bei Fördergeld?
«Wir haben es hier offenbar mit parteipolitischem Missbrauch von Steuergeldern und vorsätzlichen Verstößen gegen die Landeshaushaltsordnung zu tun», erklärte der Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünen-Fraktion, Daniel Wesener. Das Vorgehen von CDU-Amtsträgern und Abgeordneten habe mit Recht, Gesetz und Gewaltenteilung nichts mehr zu tun.
«Damit wird der Staat zur Beute und die öffentliche Förderung zum Selbstbedienungsladen gemacht.» Derartige «Unregelmäßigkeiten» müssten gestoppt werden, so der frühere Finanzsenator, der gemeinsam mit seiner Fraktionskollegin Susanna Kahlefeld Einsicht in Akten genommen hatte.
CDU sieht Wahlkampfgetöse
Die CDU wehrte sich gegen diese Vorwürfe. «Diese Koalition hat bei den Haushaltsberatungen einen klaren Schwerpunkt auf die Bekämpfung des wachsenden Antisemitismus und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts gesetzt», erklärte Stettner zu den Vorhaltungen. «Es ist völlig unangemessen, wenn diese notwendige und richtige Verständigung als parteipolitisches Wahlkampfthema bewusst umgedeutet werden sollte», so der Politiker. «Mutmaßungen, Unterstellungen und Vorwürfe sind völlig unangebracht und entbehren jeder Grundlage.»
Eine Sprecherin der Kulturverwaltung bezeichnete es auf dpa-Anfrage als «üblichen Vorgang», wenn sich Abgeordnete im Zuge von Haushaltsberatungen einbrächten und Wünsche äußerten. Direktiven einzelner Abgeordneter seien «nicht bekannt», ergänzte sie gegenüber dem «Tagesspiegel».
«Förderanträge blieben liegen»
Auch Goiny, Sprecher für Haushalt der CDU-Fraktion, widersprach den Grünen. Nach dem Hamas-Massaker in Israel habe das Abgeordnetenhaus für 2024 und 2025 zusätzlich je zehn Millionen Euro für Projekte gegen Antisemitismus zur Verfügung gestellt. Um zu verhindern, dass 2025 wie im Jahr davor ein Teil nicht ausgegeben wird, habe er sich nach Hinweisen von Projektträgern an die Kulturverwaltung gewandt und festgestellt, dass Förderanträge dort nicht bearbeitet würden und einfach liegengeblieben seien.
«Und das war natürlich etwas, was dann sowohl bei CDU als auch bei SPD auf Unmut stieß.» Auf der fraglichen Liste seien betroffene Projekte aufgeführt. Am Ende habe die Verwaltung selbst nach Recht und Gesetz darüber entschieden, so Goiny. «Hier ist gar kein unzulässiger Druck ausgeübt worden.»
Wegner stellt sich hinter Kultursenatorin
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte am Rande einer gemeinsamen Kabinettssitzung mit Brandenburg in Potsdam: «Wir haben viel zu viel Antisemitismus auf unseren Straßen, und wir brauchen hier Präventionsarbeit, Projekte, die sich dem entgegenstellen. Ich habe ehrlicherweise keinen Zweifel, dass bei der Vergabe die Kultursenatorin hier sehr verantwortungsbewusst gehandelt hat.» Er sei sich sicher, dass Wedl-Wilson noch offene Fragen beantworten werde.
Grüne fordern Aufklärung
Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Bettina Jarasch und Werner Graf forderten, die Vorgänge müssen restlos aufgeklärt und alle notwendigen Konsequenzen daraus gezogen werden. Auch die Linksfraktion verlangte Aufklärung. AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker forderte die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.
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