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Angriff auf SPD-Wahlkämpfer - «Wie aus dem Nichts heraus»

Rund fünf Monate nach Gewalt gegen SPD-Wahlkämpfer stehen vier mutmaßliche Neonazis aus Sachsen-Anhalt vor Gericht. Einer der Angeklagten gestand zu Prozessbeginn.  / Foto: Paul Zinken/dpa
Rund fünf Monate nach Gewalt gegen SPD-Wahlkämpfer stehen vier mutmaßliche Neonazis aus Sachsen-Anhalt vor Gericht. Einer der Angeklagten gestand zu Prozessbeginn. / Foto: Paul Zinken/dpa

Mutmaßliche Neonazis reisen aus Sachsen-Anhalt nach Berlin, wollen eigentlich zu einer Demo. An einer Bushaltestelle sehen sie SPD-Wahlkämpfer, reißen Mützen vom Kopf, schubsen, schlagen, treten.

Erst wurden rote Mützen mit SPD-Logo weggerissen, dann schlugen und traten mutmaßliche Neonazis aus Sachsen-Anhalt zu: Rund fünf Monate nach einer Attacke auf zwei SPD-Mitglieder im Bundestagswahlkampf in Berlin hat einer der vier Angeklagten vor dem Amtsgericht Tiergarten gestanden. Er habe seine Gesinnung «auch mit Gewalt zum Ausdruck bringen wollen», erklärte der 19-Jährige über einen seiner Verteidiger. Es tue ihm leid, er habe sich auf einem «Irrweg» befunden. Die drei weiteren Angeklagten schwiegen zu Prozessbeginn.

Den Angeklagten im Alter zwischen 17 und 20 Jahren aus Sachsen-Anhalt wird unter anderem gefährliche Körperverletzung und tätlicher Angriff auf Polizisten zur Last gelegt. Ein Wahlkampfhelfer sei bei dem Angriff am 14. Dezember 2024 an einer Bushaltestelle in Berlin-Lichterfelde erheblich verletzt worden. Die Angeklagten wurden am Tatort festgenommen. Drei von ihnen befinden sich seitdem in Untersuchungshaft.

Betroffen waren eine SPD-Kommunalpolitikerin und ihr Ehemann, die von einem Wahlkampfstand gekommen seien. «Uns wurden erst die roten Mützen abgezogen», schilderte die SPD-Fraktionsvorsitzende in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf, Carolyn Macmillan, als Zeugin im Prozess. Ihr Mann sei zu Boden gebracht worden. Vier Leute hätten ihn attackiert - «ich war sehr geschockt und hatte große Angst um meinen Mann.» Als sie nach der Polizei gerufen habe, sei auch sie geschubst und dadurch zu Boden gebracht worden.

Zeuge: «Tritte von Springerstiefeln wahrgenommen»

Der 50-jährige Ehemann sagte im Prozess, «wie aus dem Nichts heraus» seien sie angegriffen worden. Eine Kommunikation habe es nicht gegeben. Er habe dann am Boden gelegen und «Tritte von Springerstiefeln wahrgenommen». Auch gegen seinen Kopf sei getreten worden - «ich hatte keine Chance, mich zu wehren». Damals habe er auf dem Rücken einen Rucksack und vor dem Bauch eine Tasche getragen, die «wie eine Art Schutzschild» gewirkt hätten. Der Mann erlitt laut Anklage Schwellungen und schmerzhafte Prellungen. 

Die jungen Männer sollen sich in einer Gruppe von acht bis zehn Personen befunden haben. Sie hätten eigentlich an einer Demonstration des rechten Spektrums teilnehmen wollen. Laut Ermittlungen seien die Angeklagten einer gewaltbereiten Jugendszene zuzuordnen, die sich an einer rechtsextremen Ideologie orientiert. Sie hätten sich «durch eine offen zur Schau gestellte rechtsextreme Weltanschauung verbunden gefühlt», heißt es in der Anklage. Die vier Männer seien sich einig gewesen, «bei sich bietender Gelegenheit» auch gewaltsam gegen politisch Andersdenkende vorzugehen.

Für den geständigen Angeklagten erklärte der Verteidiger weiter, er sei «bereit gewesen, Gewalt auszuüben». Er habe Mützen abgenommen, geschubst, geschlagen, getreten und beleidigt. «Er erkannte, dass es Personen waren, die politisch aktiv sind.» Bei der Tat sei er «nicht unerheblich alkoholisiert gewesen». In Haft habe er nachgedacht und beschlossen, «politisch andere Wege zu gehen, insbesondere von Gewalt abzuschwören». 

Kommunalpolitikerin: «Weiterhin Flagge zeigen»

Im Ortsteil Lichterfelde sollen die Angeklagten zufällig auf die beiden SPD-Mitglieder getroffen sein. Die Wahlkämpfer seien bedrängt, dann attackiert worden. Einer der Angreifer habe sogenannte Springerstiefel getragen, die durch Verwendung von Nägeln in der Sohle verstärkt gewesen seien, so die Anklage. Mehrere Angreifer hätten dann eingetroffene Polizeikräfte attackiert. Im Handgemenge habe ein Beamter einen Mittelhandbruch erlitten, ein weiterer Polizist eine Platzwunde durch eine zerbrochene Fensterscheibe.

Kommunalpolitikerin Carolyn Macmillan sagte am Rande, sie sei nach dem Angriff vorsichtiger geworden. Aber für sie bleibe es dabei: «Es ist wichtig, dass man weiterhin Flagge zeigt für demokratische Parteien.» Der Prozess wird am 28. Mai fortgesetzt.

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