Nach dem extremistischen Brandanschlag, der in Berlin zum längsten Stromausfall der Nachkriegszeit führte, gehen die Reparaturarbeiten und die Suche nach den Tätern weiter. Die Hintergründe für den Anschlag sind noch unklar. Von der Berliner Staatsanwaltschaft hieß es zunächst nur, die Ermittlungen dauerten an.
Es gebe einen Zeugenaufruf, den die Polizei herausgegeben hat, ein Hinweisportal im Internet aber bisher nicht, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf dpa-Anfrage mit. Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, hänge von den weiteren Ermittlungen ab.
Hatten die Täter Insiderwissen?
Zur öffentlich diskutierten Frage, ob die Täter, die hinter dem Brandanschlag auf zwei Strommasten stecken, Insiderwissen hatten, machte der Sprecher der Staatsanwaltschaft keine Angaben.
Auch zu den Chancen, die Täter zu fassen, lehnte er eine Prognose ab. Zur Aussage der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD), die sich bereits am Dienstag mit der Ankündigung «Wir kriegen euch!» an die Täter gewandt hatte, sagte er lediglich: «Ich weiß auch nicht, wie Frau Spranger zu dieser Einschätzung kommt.»
Zu dem Brandanschlag wurde auf der linksradikalen Internetseite «Indymedia» ein Bekennerschreiben veröffentlicht, das von der Polizei als vermutlich authentisch bewertet wurde. Der Anschlag gelte den Technologiefirmen und Forschungseinrichtungen aus den Bereichen IT, Robotik, Bio- & Nanotechnologie, Raumfahrt sowie Sicherheits- und Rüstungsindustrie am Standort Adlershof, hieß es in dem Text.
Nach dem Brandanschlag in der Nacht zu Dienstag waren zunächst rund 50.000 Kunden der landeseigenen Stromnetz GmbH von dem Stromausfall betroffen. Seit dem späten Donnerstagnachmittag werden sie wieder versorgt.
Firmen teils erst in zwei Wochen funktionsfähig
Erleichterung herrscht auch im Technologiepark Adlershof, wie der Geschäftsführer des Parks, Roland Sillmann, mitteilte. «Für die Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen am Standort geht es jetzt darum, sich einen Überblick zu verschaffen, welcher Schaden entstanden ist und sukzessive den Betrieb wiederaufzunehmen.»
Für viele Firmen bedeute dies, dass sie im Dauereinsatz seien und auch an diesem Wochenende arbeiten würden. Teilweise werden Unternehmen erst nach ein bis zwei Wochen wieder voll funktionsfähig sein, wie Sillmann erklärte. Beeindruckend sei die gegenseitige Hilfe der Firmen untereinander.
Der Geschäftsführer forderte erneut einen besseren Schutz von Technologie- und Wissenschaftsorte in Deutschland. «Wir werden dahingehend Gespräche mit den Netzbetreibern und der Politik führen», kündigte Sillmann an.
Wer kommt für Schäden auf?
Auch dem Landeslabor Berlin-Brandenburg sind nach eigenen Angaben erhebliche Schäden durch den rund 60-stündigen Stromausfall entstanden. «Wir mussten ganz viele Lebensmittelproben, kühlpflichtige Proben, Tiefkühlproben aber auch Chemikalien und Standards zum Teil entsorgen», sagte Direktor Mike Neumann in der RBB-Sendung «Brandenburg aktuell». Auch an Geräten könnten erhebliche Schäden entstanden sein.
Auch vielen Verbrauchern sind Schäden entstanden, etwa durch verdorbene Lebensmittel aus dem Gefrierschrank. Wer dafür aufkommt, ist fraglich. Der Netzbetreiber Stromnetz Berlin wies darauf hin, dass das Unternehmen nicht für die Schäden verantwortlich sei. «Es lag keine schuldhafte Pflichtverletzung unsererseits vor. Wir sind zu einem Ersatz der entstandenen Schäden, die vorsätzlich durch Dritte - wie in diesem Fall durch einen Anschlag - entstanden sind, nicht verpflichtet», teilte das Unternehmen der RBB-Abendschau mit.
Reparaturarbeiten dauern noch Monate
Die Reparaturarbeiten an den Stromleitungen gehen voraussichtlich noch mehrere Monate weiter. Das könne nach ersten Schätzungen bis ins Jahr 2026 hinein dauern, sagte der Sprecher der Stromnetz GmbH, Henrik Beuster, der Deutschen Presse-Agentur.
Bislang wird eine Zwischenlösung genutzt. «Wir arbeiten jetzt Schritt für Schritt daran, wie wir die beschädigten Leitungen wieder in Betrieb nehmen können», sagte Beuster. «Wir haben den Vorteil, dass die beiden Masten, die durch den Brand beschädigt wurden, als stabil und weiter nutzbar eingestuft worden sind.» Das mache es etwas einfacher. «Aber trotzdem ist das noch eine komplexe Aufgabe.»
Aus der ersten Nacht nach Ende des Stromausfalls sind dem Betreiber bisher keine Probleme bekannt. «Die Leitungen, die wir in Betrieb genommen haben, funktionieren einwandfrei», sagte Beuster. «Der Betrieb ist weiterhin gesichert.»
Oberirdische Leitungen soll es künftig noch seltener geben
Beuster sagte dem RBB-Inforadio, das Stromnetz in Berlin sei mehr als 35.000 Kilometer lang. «Davon sind 99 Prozent unterirdisch.» Diese Leitungen seien nicht zu sehen und damit sehr gut geschützt.
«Wir haben in Berlin nur noch ganz wenige Leitungen, die als oberirdische Freileitung, so wie dort in Johannestal verlaufen», erklärte Beuster. «Und der Plan ist langfristig, auch diese durch Erdkabel zu ersetzen. Das hilft genauso wie der Ausbau und die Modernisierung, das Netz sicherer zu machen.»
Hundertprozentige Sicherheit gebe es aber nicht. «Ich sage mal so: Wer kriminelle Energie hat, wird immer Wege suchen und sicherlich auch finden.» Der aktuelle Vorfall sei aber ein Anlass, die Bemühungen um mehr Sicherheit noch zu verstärken: «Wir schauen noch mal genau, was sind die Punkte und was muss man da tun.»
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